Freitag
Die Vorfreude war riesengross auf den Feierabend. Einige Wochenenden Camping-Entzug – wirklich sehr schlimm. Umso mehr freuten wir uns, als wir zu Hause endlich aufbrechen konnten. Kurzer Zwischenstopp in der nahen Migros und zwei, drei Dinge einkaufen und dann auf direktem Wege auf die Autobahn und losbrettern in Himmelsrichtung Südosten. Aber hey, was ist hier los? Verdammt: Es geht langsam wirklich gegen Winter zu. Knapp 17 Uhr und schon ist es stockdunkel. Wir mögen es eigentlich nicht in Dunkelheit auf einem Stellplatz anzukommen und noch aufstellen zu müssen, insbesondere bei strömendem Regen. Aber dann, akzeptieren, nicht aufregen, künftig versuchen früher loszufahren. Auf dem Weg in Richtung Huttwil sind leider nur sehr wenige Bilder und Videos entstanden, Mario musste noch ein längeres geschäftliches Telefonat erledigen, Sara war logischerweise auf den Verkehr konzentriert. Zwei Ausfahrten früher als geplant schickte uns Google Maps ab der Autobahn – der typische Stau in der Region Solothurn/Olten – aber schauen wir es von der positiven Seite an: Oft sind gerade die Überlandfahrten in der Schweiz viel imposanter und man sieht mehr von der Umgebung. Trotz Dunkelheit genossen wir die kurvenreiche Anfahrt durch heimelige Dörfer und stellten einmal mehr fest, wie sehr wir die Lichtanlage, insbesondere die Scheinwerfer, bei unserem VW California lieben. Innerhalb des Lichtkegels ist es wirklich super hell.
Um 17:45 dann nochmal kurz anrufen beim Stellplatz: Sara hatte zwei Tage vorher angerufen um den Platz zu reservieren. Auf der Webseite steht schliesslich sehr deutlich, dass die Plätze heiss begehrt seien und man reservieren soll. Allerdings hiess es dann, man können nicht reservieren, es habe immer Platz und man soll einfach vor 18 Uhr (d.h während den Ladenöffnungszeiten) auftauchen. Naja, also mal gebeichtet, dass die Ankunft gem. Navi erst ca. 18:02 erfolgen wird. Freundlich wurde uns gesagt, dass sicher noch jemand bis ca. 18:15 dort sein wird. Phew, nochmal Schwein gehabt… Zumindest diese Art von Schwein, mehr dazu später – wir wollen ja nicht vorgreifen.
Angekommen, Papierkram ausgefüllt zum Check-In, bezahlen, Stellplatz auswählen. Erstaunlich viel los an einem Freitag Abend. Rangier-Party auf der schlammigen Wiese. Ein anderes (riesiges) Fahrzeug entscheidet sich nach längerem Spulen in der Wiese grad wieder abzureisen. Gut für uns, so wird eine schöne Ecke am Wegrand frei. Ein Herr der Stellplatzbesitzer-Familie organisierte uns noch eine praktische Holzmatte, so dass wir beim Ausstieg aus dem Bus nicht in der Wiese versinken. Auch unsere Kabelrolle konnten wir mal richtig auskosten, bis auf die letzten 0.5 Meter alles benötigt. Perfekt, wir sind angekommen. Müde, hungrig, einfach nur Wochenende nötig. Wir stellen fest, dass das Dorf doch einige Minuten Gehzeit entfernt ist, der strömende Regen und der herbstlich-kalte Wind laden nicht zu einem Spaziergang ein. Restaurant-Besuch scheidet also aus. Kochen? Ne, zu müde. Spontan die Idee doch einfach eine Pizza auf den Stellplatz bestellen. Manchmal sind die ganz spontanen Ideen doch einfach die besten – knapp 45 Minuten später tauchte der Fahrer des Kurierdienstes auf mit einer grossen Dönerpizza und Salat im Gepäck. Er war sichtbar erstaunt und erheitert darüber, dass sich bei diesem Bauernhof so viele Campingfahrzeuge tummeln. Wunderbar lecker haben wir gegessen und freuten uns, heute einfach mal früh ins Bett zu gehen. Die letzten (Arbeits)tage waren enorm intensiv und teilweise gab es wenig Schlaf, wir hatten ein Defizit aufzuholen. Doch plötzlich – Stille – dann leichte aufkommende Panik bei Sara während sie in allen Schränken und Schubladen wühlt. Drei mal alles ausräumen und wieder einräumen dann die traurige Gewissheit: Knurrig ging zu Hause im Eifer des Gefechts und last-minute-Packen vergessen! Sara liebt ihren Knurrig und verwendet ihn gerne als Kopfkissen. Mist, definitiv höchste Zeit, dass wir bald mal unsere Packliste/Reiseplanungs-System etwas optimieren, so dass so etwas nicht mehr passieren kann!
Samstag
Wow fühlt sich das gut an. Endlich mal wieder 10+ Stunden richtig schlafen können. Bei gemütlicher Wärme und dem monotonen Surren der Standheizung, während draussen der Wind und Regen tobte. Irgendwie schläft es sich im Bulli einfach am besten. Und was geniessen wir am meisten an einem Morgen wenn wir einfach Zeit haben und nicht permanent auf den Kalender und Termine schauen müssen? Richtig, ein tolles, enstpanntes, leckeres Frühstück. Schon beim ersten Blick aus dem Fenster einige Feststellungen: Zum einen scheint sich das Wetter langsam zu bessern, zum zweiten dass es scheinbar Schafböcke mit sehr imposanten vier Hörnern gibt. Meine Güte wie uns der pelzige Kollege anstarrt – wir wissen nicht ob er unseren schönen VW-Bus bewundert, eifersüchtig auf unser Frühstück ist oder er sich in seinem Territorium bedroht fühlt.
Die Neugier war geweckt: Direkt nach dem Frühstück ging es erstmal auf Hof-Erkundung. Unzählige verschiedene Tiersorten denen wir begegnen durften. Schweine die sich im Schlamm wälzen und friedlich vor sich hin grunzen, diverse Sorten Ziegen und Schafe die hungrig rumblöken, ein stolzer Pfahl, eine kleine Schar Hühner mit stolzem Gockel welche lauthals rumgackern beim Spaziergang über das Areal und dann eines der Highlights: Plötzlich standen einige riesengrosse Kamele vor uns! Definitiv grösser als die Sorten die wir bisher aus den Ägypten-Urlauben kannten. Und haariger, viel haariger. Ist ja auch kein Wunder, schliesslich werden sie ja primär dafür gehalten. Das Wollparadies stellt diverse Produkte her aus all den Fellen und der Wolle von den Tieren auf dem Hof. Ein kleiner Rundgang hinter die Scheune wo uns noch paar Alpakas begegnen, einige Aufnahmen für unseren Onion-Spot Clip und dann ging es mal den Verkaufsladen anschauen: Wir sind einfach nur beeindruckt! Von aussen erweckt es den Eindruck als sei der Laden eher klein. Die Fläche ist aber erstaunlich gross, noch viel erstaunlicher welche Vielfalt von Artikeln da präsentiert werden. Felle, Bettwaren, Kleider, Schuhe, Naturkosmetik (insbesondere Seifen). Wir können es nicht sein lassen und kaufen einige Seifen – ein tolles Mitbringsel für Freunde und auch die lokale, naturnahe Wirtschaft unterstützt.
Nach einem kleinen Rundflug mit der Drohne über das Areal mit schöner Sicht auf das Dorf Huttwil, entschieden wir uns dem Dorfkern einen besuch abzustatten. Ein gemütlicher Spaziergang von rund einer Viertelstunde und schon erreichten wir die rustikalen Bauten des Ortskerns. Brr ist das kalt gewesen – die Bise peitschte uns um die Ohren. Erstmal in die Bäckerei und Aufwärmen mit einem leckeren Kaffee und frischen Gipfeli. Wir können nicht widerstehen und kaufen uns noch gleich eine tolle Züpfe für das Frühstück am Sonntag. Neben einigen schönen Bauten im Emmentaler-Baustil scheint es jedoch nicht allzu viele spektakuläre Dinge zu geben in Huttwil, keine Museen oder sonstigen Sehenswürdigkeiten die uns viel länger in der Kälte verbleiben lassen. Also relativ schnell den ‹Heimweg› in Richtung Wollparadies wieder antreten. Doch nicht ohne Unterbruch: Sara war fasziniert von den hübschen Wintersocken vor dem einen Laden, in der knurrig-freien Nacht zuvor beklagte sie sich über kalte Füsse. Und dann waren sie da: Pinkfarben. Gefüttert mit einem warmen Fell. Und Gumminoppen an der Sohle. Gekauft!
Auf dem Rückweg entdeckten wir dann noch einige schöne Tinyhäuser. Erst dachten wir das sei eine kleine Siedlung von Leuten die sich für ein Leben im Tinyhouse entschieden haben – wunderschön sahen sie aus, perfekt verarbeitet. Aber sie sind nicht permanent bewohnt sondern werden vermietet. Ein klein wenig verlieben wir uns in diese Häuschen. Schon immer gefielen uns solche Tinyhäuser, spätestens nach mehreren Aufenthalten in den Pods beim TCS-Camping in Lugano (vor unseren Bullizeiten und wenn es zu kalt war fürs Zelt…).
Erneut realisieren wir, wie schnell die Tage nun kürzer werden. Zwei, drei Stunden noch Video geschnitten im Bus und schon wieder ist es stockdunkel draussen. Wir hatten noch eine Tupperware-Schale mit Bolognaise und so gab es mal wieder eines unserer Camping-Favoriten/Standard-Menus: Spaghetti. Nach dem Nachtessen weiter arbeiten am Projekt OnionVan. Die Videos von unserem Innertkirchen-Wochenende sind beinahe fertig. Wir haben enormen Spass uns selber in die Thematik der Videobearbeitung einzuarbeiten, ausprobieren, umbauen, verwerfen. Während wir lange primär mit Fotografie unterwegs waren, entdecken wir wirklich die kreativen Möglichkeiten der Videokunst. Ouch. Und plötzlich realisieren wir nach dem wir das 5. Tutorial-Video angeschaut haben, dass schon 2 Uhr morgens ist. Höchste Zeit um schlafen zu gehen, während die Kiste über Nacht fleissig unser Video fertig rendert.
Sonntag
Regen. Schon wieder. Und das nicht zu wenig… Verdammt, kommen wir aus der Matschwiese je wieder raus? Hätten wir uns doch das 4Motion-Getriebe leisten sollen? Egal, geniessen wir erstmal das Frühstück mit der tollen Ankezüpfe, die wir am Vortag gekauft haben. Dann eine kurze Dusche, Geschirr spülen und dann heisst es Demontage des Camping-Setups: Drei Lappen haben wir benötigt um die über 20 Meter des Landstromkabels einigermassen sauber zu bekommen. Calicap auch klitschnass. Einige Minuten später sind wir jedoch schon abfahrbereit. Gespannt guckt Mario zu und filmt wie Sara gekonnt die 3 Tonnen mit dem Vorderradantrieb aus der Wiese manövriert. Yay, das ging unkomplizierter als erwartet! Für uns hilfreich langsam aber sicher die Limiten des Fahrzeuges auszuloten. Der Regen wechselte sich nun mit einigen Sonnenstrahlen in kurzen Intervallen ab. Nächster Fixtermin – wir haben um 14 Uhr mit einem von Mario’s Arbeitskollegen in Burgdorf abgemacht. Die Lueg (Hügel) ist quasi perfekt auf dem Weg gelegen – wir wollten ihr schon lange mal einen Besuch abstatten. Mario ist einige Wochen zuvor zu sehr später Stunde in regnerischer Dunkelheit drüber gefahren und war beeindruckt wie abgelegen dort alles aussieht, zumindest bei Nacht. Bei Tageslicht war es wunderschön! Die Weitsicht ist enorm, obwohl der Hügel kein 3000er-Gipfel ist. Einige Wolken trübten die Fernsicht ein wenig, jedoch konnte mit etwas Geduld immer mal wieder einer der markanten Berner-Oberländer 4000er erspäht werden, im Norden die uns sehr vertrauten Berge des Jura-Gebirges. Einfach immer wieder schön diese kitschige Hügellandschaft im Emmental. Wir lieben diese Region einfach.
Herrlich, der leckere Malabar-Kaffee und die Kekse mit denen wir bei Mario’s Kollegen empfangen werden. Einige tiefgründige und spannende Gespräche – über Motivation, persönliche Ziele, Sinnstiftung, Hochs und Tiefs unseres Berufslebens – später, geht es auf die letzten Fahrkilometer dieses Wochenendes. Danke!
Zum Schluss? 80 Kilometer gemütlich über die Autobahn von Burgdorf via Solothurn heimtuckern. Glückswagä ausladen, Kühlschrank leeren, Autowäsche (wirklich bitter nötig, mit der halben Wiese am Unterboden), Knurrig und die Haustiere wieder in den Arm schliessen. Schön wars! Etwas wehmütig realisieren wir, dass wohl auch die nächsten Wochenenden campingfrei werden und die Vorfreude auf unseren Wintertrip steigt! Wie gespannt sind wir, doch endlich mal die Standheizung bei -10 Grad Celsius und weniger auszuprobieren…
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